4: Transplantation und Autoimmunerkrankungen

4.2 Die Abwehr fremder Organe

Produktion von T-Zellen (Modell) ©SWR
Produktion von T-Zellen (Modell)

Bei der Abstoßung von Spenderorganen spielen T-Zellen die Hauptrolle. Sie koordinieren die Abwehrmaßnahmen ähnlich wie bei einer Infektion und bewirken, dass Antikörper und T-Killerzellen das Transplantat zerstören. Diese unerwünschte Immunreaktion hängt mit dem Auftrag der T-Zell-Truppe zusammen: Sie soll Körpergewebe auf verdächtige Merkmale untersuchen, aber nur im Ernstfall eingreifen. Diese Fähigkeit erwerben die T-Zellen im Thymus, einem zentralen Organ des Lymphsystems.



T-Zellen bilden sich wie alle anderen weißen Blutzellen (Leukozyten) aus Stammzellen im Knochenmark. Rohlingen vergleichbar, durchlaufen diese Vorläuferzellen mehrere Entwicklungsschritte und reifen schließlich im Thymus. Eine T-Zelle trägt lauter baugleiche Rezeptoren. Damit erkennt sie nur ein charakteristisches Molekül, das die Zielzelle wie einen Ausweis an ihrer Oberfläche zeigt. Wenn T-Zell-Rezeptor und Molekül wie Schloss und Schlüssel passen, ist die Zielzelle identifiziert.


Das Immunsystem muss gegen alle denkbaren Gegner gewappnet sein. Auf diese schwierige Aufgabe bereitet es sich während der Embryonalentwicklung vor. Zunächst werden für jede potenzielle Molekülform passende Vorläufer-T-Zellen hergestellt.


T-Zelle ©SWR

Die erforderliche Vielfalt von T-Zell-Rezeptoren entsteht durch einen Zufallsprozess, bei dem die entsprechenden Gene variiert werden. Im Prinzip gibt es also für jeden möglichen molekularen Schlüssel das passende Schloss.



Teststation Thymus

Bevor die unreifen T-Zellen diensttauglich sind, werden sie im Thymus einer strengen Prüfung unterzogen:

Jede T-Zelle wird daraufhin überprüft, ob sie überhaupt Zielzellen finden würde, die sich ja durch MHC-Moleküle zu erkennen geben. Passt der Rezeptor einer T-Zelle auf kein MHC-Molekül, ist sie sozusagen blind und wird ausgemustert.


T-Killerzelle ©SWR
T-Killerzelle (Modell)

Je nachdem, ob der Rezeptor an ein MHC-I- oder MHC-II-Molekül bindet, bildet sich eine T-Killerzelle oder eine T-Helferzelle.

T-Helferzelle ©SWR
T-Helferzelle (Modell)
 

Alle T-Zellen werden zusätzlich darauf getestet, ob sie harmlose Eigenantigene erkennen. In diesem Fall könnte sich die Abwehr unkontrolliert gegen eigenes Gewebe richten. Deshalb werden normalerweise auch solche gefährlichen T-Zellen vernichtet.


Ein Klick startet den Trickfilm
Trickfilm

Der T-Zell-Test im Thymus ist in vereinfachter Form als Trickfilm dargestellt. MHC-I-Moleküle sind quadratisch, MHC-II-Moleküle kreisförmig dargestellt.



Die rigorose Auslese im Thymus sorgt dafür, dass körpereigene Zellen nach Möglichkeit geschont werden. Es bleiben nur reife T-Zellen übrig, die auf die Bekämpfung fremder Antigene und Gewebe spezialisiert sind. Das schützt uns zwar vor Krankheitserregern, führt aber auch zu erheblichen Komplikationen bei der Verpflanzung von Organen. Etwa 20% der T-Zellen erkennen fremdes Gewebe.


MHC-Moleküle, die Ausweispapiere der Zellen. Die Abkürzung MHC steht für Major Histocompatibility Complex, zu deutsch Hauptgewebeverträglichkeitskomplex. Die MHC-Moleküle bezeichnet man auch als HLA, Humane Leukozytenantigene. Sie lassen sich auf der Oberfläche von weißen Blutzellen leicht bestimmen. Dort findet man für jeden Menschen typische Varianten von MHC-Molekülen. Sie unterscheiden sich von Individuum zu Individuum. Lediglich bei eineiigen Zwillingen sind sie identisch. In diesem Ausnahmefall kommt es bei einer Organverpflanzung nicht zu einer Abstoßungsreaktion.