4: Transplantation und Autoimmunerkrankungen

4.3 Abstoßungsreaktionen

Transplantierte Organe sind im Wesentlichen durch zwei Abwehrprozesse gefährdet: Die hyperakute und die akute Abstoßung.


Die hyperakute Abstoßungsreaktion

Blutzellen
Blutzellen

Schon wenige Minuten nach der Transplantation kann es zur hyperakuten Abstoßung kommen. Das ist der Fall, wenn der Empfänger bereits Antikörper gegen Oberflächenstrukturen des Spenderorgans gebildet hat - etwa bei einer Unverträglichkeit der Blutgruppen. Die Antikörper heften sich an die mit dem Organ übertragenen Blutzellen und zerstören diese mit Unterstützung des Komplements. Es bilden sich rasch Blutgerinnsel. Das Transplantat wird nicht mehr versorgt und stirbt ab. Diese schnelle und heftige Form der Abstoßung lässt sich jedoch in der Regel vermeiden, wenn im Vorfeld die Blutgruppen von Spender und Empfänger auf ihre Verträglichkeit hin überprüft werden.



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Die akute Abstoßungsreaktion

Nach einigen Tagen bis Wochen tritt häufiger die akute Abstoßung auf. Für diese unerwünschte Immunantwort sind vor allem aktivierte T-Zellen verantwortlich, die auf fremde Antigene und MHC-Moleküle des Spenderorgans reagieren. Neben Antikörpern sind es vor allem T-Killerzellen, die das Transplantat angreifen. Die Immunabwehr geht ähnlich vor wie bei einer Virusinfektion, allerdings mit dem Unterschied, dass dabei eigenes Gewebe zerstört wird.


Die akute Abstoßungsreaktion lässt sich auf ein Minimum reduzieren, wenn die Gewebemerkmale (MHC-Moleküle) von Spender und Empfänger möglichst ähnlich sind. Außerdem kann man die Immunreaktion mit Medikamenten unterdrücken und so einem vorzeitigen Abbau des Transplantats vorbeugen. Der Erfolg der modernen Transplantationsmedizin hat vielen Menschen ein neues Leben ermöglicht.


Die Eurotransplant International Foundation vermittelt Organspenden in Österreich, Belgien, Deutschland, Luxemburg, Slowenien und den Niederlanden. An dieser internationalen Kooperation sind Transplantationszentren, Gewebetypisierungslabors und Krankenhäuser beteiligt, in denen Organentnahmen stattfinden. Organe hirntoter Spender werden zunächst typisiert. Eurotransplant nimmt dann Daten wie Blutgruppenantigene und Gewebemerkmale entgegen und sucht in der Warteliste nach einem geeigneten Empfänger.


Transplantationen in Deutschland, Stand 31.12.2000 (Leichenspenden)


Patienten Niere Leber Herz Lunge
auf Warteliste 9510 600 381 270
transplantiert 1641 692 407 147

Foto von Prof. Rudolf Pichlmayr (Ein Klick startet den Film)

Video: Prof. Rudolf Pichlmayr (†),
Medizinische Hochschule Hannover
Statement über Gewebeübereinstimmung



Medikamente gegen die Abstoßung von Organen

Selbst bei guter Gewebeverträglichkeit von Spender und Empfänger sind Medikamente nötig, die die Immunabwehr in Schach halten. Dass dies oft gelingt, zeigt der Erfolg bei Nierentransplantationen. Mehr als 90% dieser Organe bleiben länger als ein Jahr funktionsfähig, ohne dass es zu nennenswerten Abstoßungsreaktionen kommt. Dieser Erfolg ist auf Immunsuppressiva zurückzuführen, die allerdings lebenslang eingenommen werden müssen.


Die Gabe solcher Medikamente ist eine Gratwanderung:


  • Zu hoch dosierte Immunsuppressiva öffnen sonst harmlosen Infektionen Tür und Tor und erhöhen das Krebsrisiko.
  • Zu niedrig dosierte Immunsuppressiva verhindern die Abstoßung nicht effektiv genug.

Angriffsziel T-Zellen

Die beiden wichtigsten Wirkstoffe, Cyclosporin A und FK 506, dämpfen die Aktivität der T-Zellen. Durch die Hemmung des Botenstoffs Interleukin 2 können sie sich nicht richtig vermehren. Die Schlagkraft der T-Helfer und T-Killerzellen ist stark reduziert, und Attacken auf das Transplantat bleiben weitgehend aus. Allerdings kann das Immunsystem auch nicht mehr mit voller Kraft gegen Krankheitserreger vorgehen. Das gilt auch für künstlich hergestellte Antikörper, die Rezeptoren von T-Zellen blockieren sollen. Sie wären dann gewissermaßen blind für das fremde Gewebe und würden es nicht angreifen.